Zauberhafte Region Alpe-Adria
In der Früh im Hochgebirge wandern gehen, zu Mittag in den Hügeln Mittagessen und am Nachmittag am Strand die Füße hochlegen. Oder doch lieber ausgedehnte Radtouren durch die weiten Ebenen? Unmöglich? Nicht in der Alpe-Adria Region! Wenn man Europa bereist, ein Kontinent, der selbst schon so vielseitig ist und innerhalb weniger hundert Kilometer oft komplett sein Aussehen ändert, dann sticht diese Region im Herzen des Kontinents besonders hervor. Weil hier handelt es sich nicht um hunderte Kilometer, sondern oft nur um fünfzig, die einen oft zu glauben machen sich in einer ganz anderen Welt zu befinden. Die Region Alpe-Adria ist einzigartig in Europa, nirgendwo sonst gibt es so viel Vielfalt auf so kleinen Raum, landschaftlich wie auch kulturell. Wo genau die Grenzen der Region liegen, kann nicht so einfach gesagt werden und ist Definitionssache. Hier wird für die Alpe-Adria Region im Grunde folgendes angenommen: Slowenien, Teile von Kroatien (Istrien, die Gegend rund um Rijeka, Karlovac und Nordwestkroatien (Zagreb, Varazdin), die österreichischen Bundesländer Kärnten, die Steiermark und das Süd- und Mittelburgenland, die westlichsten Teile Ungarns und die italienischen Regionen Friaul Julisch Venetien und das Veneto.

Piran: Die Küste mit ihren einzigartigen Städten
Die Region befindet sich südlich des Alpenhauptkamm, das verspricht stabileres, oft sonnigeres und wärmeres Wetter als etwa in Nordösterreich. Generell ist es eine Region des Übergangs zwischen Mitteleuropa, Südosteuropa und Südeuropa. Man spürt überall die Einflüsse aus allen diesen Teilen, aber nirgends gibt es eine „Reinform“ davon. Es ist genau die Mischung, die die Region so spannend macht. Heute teilen sich die Region Österreich, Italien, Slowenien, Kroatien und Ungarn, doch die Region verbindet eine gemeinsame, tausendjährige Geschichte, die bis heute in Menschen, in ihrer Kultur und ihrer Sprache ihre Auswirkungen findet. Illyrer, Kelten, Römer – die Frühgeschichte der Region kannte die heutigen Grenzen noch nicht und hinterließ daher überall Spuren. Ähnlich war es auch im Mittelalter und in der Neuzeit, als unterschiedliche Fürsten über die Gegend herrschten und schließlich die Habsburger, die die Region besonders stark prägten. Doch was macht nun die Region so besonders? Es ist das Gefühl die Vielfalt Europas sowohl kulturell als auch landschaftlich verstehen zu können. Die Alpe-Adria Region ist „Europa im Kleinen“ von hochalpin bis zu mediterran ist an Klimazonen alles dabei. Hochalpine Landschaften prägen die Hohen Tauern im Nordwesten der Region, Richtung Mittelkärnten wird es bereits deutlich milder und hier laden einzigartige Seen im Sommer zum Baden ein. In der Steiermark/Stajerska, die sowohl in Österreich als auch in Slowenien liegt, gedeihen gute Weine und beim weitreichenden Blick über die Weinberge beschleicht einen das Gefühl in der Toskana zu sein. Weiter im Osten prägen weiche Hügellandschaften den Westen Ungarns und das Burgenland. In Nordostkroatien lohnen sehenswerte Städte wie Zagreb oder Varazdin und Mittelgebirge, die zum Wandern einladen. Dramatisch verändert sich das Land, wenn es von der sehenswerten, slowenischen Hauptstadt Ljubljana Richtung Küste geht: Die karstigen Hochebenen, die teilweise auch dicht bewaldetet sind, brechen plötzlich ab und machen Platz für ein ganz anderes Klima: Oliven, Palmen, Obstbäume und mediterrane Gewächse prägen die Küsten Istriens und der Kvarnerbucht. Und an der Küste schließlich gibt es imposante Steilküsten wie bei Duino, liebliche Lagunen und weite Sandstrände, wie etwa in Lignano, Bibione oder Jesolo. Zwischen dem Hochgebirge und dem Sandstrand liegen keine 200 Kilometer: Willkommen in der Alpe-Adria Region.
Doch es ist nicht nur ihre Landschaft, es ist ihre Kultur, die auf der gemeinsamen Geschichte vieler Jahrhunderte aufbaut, die die Region so besonders und vielseitig macht. Die gemeinsame Geschichte findet sich in Ortsbezeichnungen, in Spezialitäten und vor allem in der Mentalität wieder. Städte wie Graz haben eine slawische Vergangenheit (Gradec, der slowenische Name steht nicht umsonst für grad, das im slawischen Burg und Stadt meint), Polenta ist sowohl im Friaul als auch in Kärnten ein traditionelles Gericht und viele Dialektwörter in allen Sprachen sind von der jeweils anderen beeinflusst. Ungarisch, Slowenisch, Deutsch, Kroatisch, Italienisch, Friulanisch – die sprachliche Vielfalt ist gewaltig. Die vielen Ethnien, die vielen Sprachen und die traditionelle, historisch bedingte Durchmischung der Bevölkerung führten im 20. Jahrhundert zu besonders schmerzvollen Ereignissen, deren Folgen bis heute sichtbar und spürbar sind. Als der aufkommende Nationalismus im 19. Jahrhundert immer stärker wurde, betraf das vor allem die Region Alpe-Adria, die genau an mehreren Bruchlinien liegt. Plötzlich wurde es wichtig Slowene oder Österreicher zu sein und die Sprache – die ja gerade in dieser Region viele Elemente der jeweils anderen aufgenommen hatte – wurde zum Trennungsobjekt. Der Höhepunkt war der Erste Weltkrieg, der in der Region mit voller Wucht zuschlug: An der Isonzofront starben tausende Soldaten, viele Denkmäler erinnern an diese „Urkatastrophe“ des 20. Jahrhunderts, die neue Grenzen in die Region brachte. Die Grenzen gingen mitten durch Städte, wie etwa zwischen Gorizia und Nova Gorica, trennten ganze Familien voneinander und sorgten für zahlreiche Konflikte, wie etwa in Unterkärnten. Die Alpe-Adria Region ist eine Gegend, in der das Konzept des Nationalstaats nicht einfach 1:1 umsetzbar war. Minderheiten, sprachliche Besonderheiten, jahrhundertelange, grenzüberschreitende Kontakte und Familienbeziehungen erschwerten den autoritären Machthabern ihre nationalistischen Ziele durchzusetzen. Trotzdem folgten zahlreiche Massenumsiedlungen von Menschen, etwa in Istrien, die das Leid zusätzlich zu den bereits gefallenen Soldaten in der Zwischenkriegszeit und auch nach dem Zweiten Weltkrieg noch verschlimmerte. Genau an diesen Bruchlinien wird die Wichtigkeit eines gemeinsamen Europas sichtbar. Steht man an den Denkmälern der gefallenen Soldaten, die es zuhauf in der ganzen Region gibt, wird einen die Dimension dieses Gedankens erst richtig bewusst.

Triest: Die Stadt, die alles ein bisschen ist
Für die Alpe-Adria Region und ihre Bewohner ist es von großer Wichtigkeit das Vergangene nicht zu vergessen und trotzdem positiv in die Zukunft zu blicken. Nationalistische Blickwinkel sollten nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Region jahrhundertelang gemeinsam die Geschichte bestritten hat und erst der Nationalismus im 20. Jahrhundert viel der Pluralität vernichtet hat. Dennoch zeugen Minderheiten in allen Ländern davon, dass die Region immer schon gemischt besiedelt war. Durch die EU hat die Region wie kaum eine andere davon profitiert und auch in der Bevölkerung wächst das Bewusstsein dafür, sich in einer Region zu befinden. Es gibt ein Einkaufszentrum, dass „shopping senza confini“ verspricht, grenzüberschreitende Zusammenarbeit, einen Radweg Alpe-Adria und viele Konflikte, wie etwa rund um die zweisprachigen Ortstafeln in Kärnten, wurden gelöst – trotz der Stimmen einiger Ewiggestriger, die noch immer ihren „Abwehrkampf“ gegen die eigene Geschichte führen. Die gemeinsame Währung des Euros für alle Länder (außer Ungarn), das Schengener Abkommen sind hier nicht nur politische Aktionen, sondern werden hier im Alltag sichtbar. Man düst auf neuen Autobahnen zwischen Ljubljana und Triest in einer Stunde, zahlt beim Einkaufen in Koper und beim Abendessen in Triest in der gleichen Währung und genießt freie Fahrt über die ehemals stark kontrollierten Grenzen. Triest, das 1918 sein Hinterland verlor und im 20. Jahrhundert eine Stadt am Rande Italiens war, konnte so zurückfinden zu seiner alten Rolle einer Stadt, die nicht mitteleuropäisch, nicht österreichisch, nicht italienisch und nicht slowenisch ist. Triest ist von allem ein bisschen, eine Stadt voller Widersprüche und voller Facetten, die oft nicht einmal die Einheimischen komplett (er)kennen. Triest ist DIE Stadt der Alpe-Adria Region. Die Stadt liegt am Meer, doch die Berge sind stets nah hinter der Stadt gelegen, es gibt Gulasch und Pizza, die Ortstafeln sind rund um die Stadt zweisprachig, Wiener Kaffeehauskultur und typische k.u.k Gebäude machen die Habsburgervergangenheit unübersehbar. Triest ist die Hauptstadt der Region Friaul Julisch Venetiens, einer Region, in der neben Italienisch auch Slowenisch, Deutsch und Friulanisch gesprochen wird. Es ist eine Stadt, die wie kaum eine andere nicht charakterisierbar ist. Triest ist unberechenbar, will sich nicht zähmen und einordnen lassen in nationalistische Muster, in einseitige Denkmuster. Und so spürt man es hier besonders, wenn man am Ufer den Sonnenuntergang betrachtet: Die Region Alpe-Adria ist eine Region der Vielfalt, die nicht einmal zwei Weltkriege in die Knie bringen konnten. Sie ist sowohl landschaftlich als auch kulturell der Beweis, das Vielfalt viel interessanter ist als Einseitigkeit. Sicher ist: Mit der Landschaft und der Kultur wird es einen nie langweilig in Europas Herzen, das mit seiner Vielfalt wichtige Impulse für Europa aussenden könnte.

Herz der Alpe-Adria Region: Triest