Riccione. Sommerferien am Meer – Italien in Hochform

Riccione. Sommerferien am Meer – Italien  in Hochform

Endlose Schirmreihen in kunterbunten Farben, eng an eng zusammengestellt, dazwischen unzählige Liegestühle – zugegeben für Menschen, die Einsamkeit suchen ist die italienische Adria die falsche Adresse.  Denn entlang den schier endlosen Strandstränden, die sich von Grado im Nordosten Italiens fast ununterbrochen bis nach Gabicce Mare in den Marken ziehen findet der Badegast nur selten ein ruhiges Plätzchen. Massentourismus. Betonburgen.  Alte, heruntergekommene Hotel & Apartmentanlagen, die den typischen Stil der 70er Jahre versprühen. Wieso sollte man noch die Italienische Adriaküste als Urlaubsdestination auswählen, wenn es woanders (hier insbesondere Türkei) doch viel günstigere Unterkünfte gibt? Nun gut, die Sache mit Massentourismis ist nicht jedermanns Sache, wenn man sich jedoch doch entschließt eine Woche Strandurlaub in Italien zu verbringen und hier insbesondere nicht die Obere Adria und hier Lignano wählt, das mehr als Kolonie saufwütiger Österreicher und Deutscher verkommen ist, dann erlebt  man beispielsweise in Riccione – meinen Urlaubsziel für 1 Woche dieses Jahr Mitte August- Italien in seiner Reinkultur, ein Italien in Hochform, ein Spiegelbild der italienischen Seele.  Zwischen den Schirmreihen findet sich die gesamte Gesellschaft Italiens – ob jung, ob alt – zusammen, um ein jährlich sich wiederholendes Ritual zu zelebrieren: Ab Juli, spätestens ab Mitte August aber, sind die Städte Italiens wie leergefegt, jeder der nur irgendwie kann setzt sich ins Auto und fährt Richtung Meer. Die Römer fahren dann gerne auf Sardinien, die Mailänder wie viele andere Bewohner der großen, norditalienischen Städten an die „Riviera Romagnola“, die die weltbekannten Städte wie Rimini oder Riccione umfasst. Auch in Zeiten der Krise ist dieser Urlaub das Highlight des Jahres, auf das man schon sehnsüchtig wartet. Eine Belastungsprobe erlebt in diesen Tagen auch das Autobahnnetz Italiens, denn wenn ganze Städte zum Exodus Richtung Meer aufbrechen sind Staus vorprogrammiert.

Strand von Riccione

Wie viele andere haben auch wir uns am Morgen des 11. August aufgemacht die 400 km lange Strecke bis in die Romagna anzutreten.  Als Bewohner von Südösterreich könnte man ja einfach Lignano oder Grado ansteuern, das wäre mit über 1 Stunde ja schließlich doch viel näher als das über 4 Stunden entfernte Riccione. Gut, Sand und Meer gibt es auch dort, aber wie schon eingangs beschrieben ist gerade die Obere Adria eher als eine Kolonie der Deutschen und Österreicher anzusehen, die sich im Urlaub dann ganz besonders aufspielen müssen: Morgens muss es eine frische Tageszeitung geben, das Personal in Hotel und Restaurants soll selbstverständlich Deutsch sprechen und wehe wenn der Fernseher im Hotelzimmer keine deutschsprachigen Kanäle beinhaltet  dann war’s das schon mit der positiven Urlaubsstimmung – man will ja auch im Urlaub RTL und co. Sehen können.  Zusammen mit tausenden anderen Deutschen und Österreichern liegt man dann wieder zusammen, die Italiener sind gerade in Lignano meist deutlich in der Unterzahl. Für was in den Urlaub fahren, wenn man dann alles gleich wie zuhause hat? Daher fiel die Wahl dieses Jahr auf Riccione, das Sonne, Strand und Meer bietet, aber deutlich weniger „Germanismus“.

Nachdem wir über 4 Stunden Fahrt staufrei (!) in Riccione ankamen wurden wir mit strahlenden Sonnenschein willkommen geheißen, im familiär geführten Hotel wurde auf Italienisch das Wichtigste abgewickelt und auch hier herrschte eine ganz andere Atmosphäre wie 200 km nördlich. Nachdem üppigen Mittagessen, wo man sich schon nach dem ersten mal fragte, wie man das nur ohne 10 kg zuzunehmen überleben sollte, ging es dann auf die Bühne des italienischen Sommerlebens: Auf zum Strand – „andiamo alla spiaggia!“ . Im Gegensatz zur Oberen Adria gibt es in Riccione sogenannten „bagni“ also Strandbäder, die privat geführt werden. Durch diesen Umstand heraus versuchen die Besitzer sich durch immer bessere Attraktionen und Angebote vom Nachbarbagni ein wenig abzuheben. Die Seniorchefin zeigte uns höchstpersönlich unseren neuen Platz am Strand für 1 Woche und zur großen Überraschung: Kein Sonnenschirm, der eingeengt zwischen anderen steht, dazwischen noch 2 Liegen und der Nachbar keinen Meter entfernt! Stattdessen gab es unter einem großen Sonnensegel genug Platz für jeden, 3 Liegen, großzügigen Abstand. Wieder so ein Unterschied zur Oberen Adria, der es bezahlt macht, die weitere Reise anzutreten.

Der Strand – la spiaggia – Mittelpunkt des sommerlichen Lebens

Nun ist man mittendrinn im Sommerleben der Italiener, das man nun hautnah mitkriegt. Neben uns eine alte Dame aus Bologna, die uns begrüßt, als wären wir schon alte Freunde und gleich  erzählt, wie schön es doch hier ist, welch toller Platz Riccione ist.  Die Reihe davor, eine junge, italienische Familie mit 3 Kindern, die Eltern diskutieren gemeinsam mit den Großeltern, die natürlich bei einem Familienurlaub nicht fehlen dürfen über die jüngste Politiklage, während die Kinder im feinkörnigen, goldenen Strand graben.  Dazwischen queren junge ragazzi, die entweder gemeinsam mit ihren Freunden oder mit Freund/Freundin ebenfalls hier den Sommerurlaub verbringen.  Alle sind sie hier versammelt auf diesen Strand, dazu wird – typisch italienisch – laut geredet, gestritten, diskutiert, hin und wieder kommt ein Eisverkäufer vorbei, der von den Kindern schon sehnsüchtig erwartet wird.  Das gesamte Leben der Stadt hat sich hierher transferiert an den langen Strand, der nun gefüllt ist mit Menschen, die sich alle unter der warmen Mittelmeersonne sonnen, die von einem markellosen blauen Himmel scheint.

Blick von Riccione Richtung Gabicce Monte

Großväter spielen mit ihren Enkeln, während mama sich die Sonne am Bauch scheinen lässt und papa mit anderen Vätern diskutiert, daneben ein älteres Ehepaar, das Karten spielt.  Aus den Bars dröhnt Sommermusik, die Animation der bagni kümmert sich um die Kinder. Vor allen liegt das blaue Meer, die Adria. Wie an  über 95% der italienischen Strände  weht auch hier die Bandiera Blu für einwandfreie Wasserqualität. Im Meer wimmelt es von Fischen und Krebsen, Seegras und sonstiges sucht man vergebens und das ganze bei einer Wassertemperatur von angenehmen 25° C.

Gegen Abend verlagert sich das gesamte Leben in die Städte, in die langen, autofreien Straßen. Rimini und Riccione haben sich hier in den letzten Jahren zu „Event-Locations“ gemausert, fast jeden Tag legt im Sommer ein Star-DJ (umlängst Avicii sowie Sebastian Ingrosso) auf, zahlreiche Radiosender haben ihr Studio auch gleich hierher verlagert und senden live aus der „Sommerstadt“ wie etwa Radio Deejay und Radio Studio Più. Familien mit Kinderwägen ziehen durch die Straßen, daneben Jugendliche auf den Weg in die nächste Szenebar und vom Balkon beobachten die Großeltern das ganze Treiben unter ihnen.  Auch die Adriaküste hat sich gemausert weg von den Betonburgen der 60er Jahre hin zu einer „Eventkultur“ gepaart mit dem typischen Strandurlaub der Italiener.

Nächtlicher Blick von Riccione Richtung San Marino

Wenn einem das gesamte Strandleben zu viel wird, dann gibt es rund um Riccione genug Möglichkeiten, das landschaftlich und kulturell sehr sehenswerte Hinterland kennenzulernen.  Nur wenige Kilometer trennen Riccione von der Region Marken (Marche), die für mich DIE italienische Region schlechthin ist. Leicht geschwungene Hügelketten mit goldenen Feldern, dazwischen rote Flecken in Form von Mohnblumen, Straßen, die leicht auf, leicht ab auf diesen Hügelketten entlang führen und mit jeder Kurve atemberaubende Ausblicke bieten, insbesondere rund um Senigallia und San Lorenzo in Campo auch noch als Krönung mit dem Meer im Hintergrund aufwarten, das ist die charakteristische Landschaft der Marken, die man von der Adriaküste aus ganz leicht kennenlernen kann.  Unterbrochen wird diese Landschaft nur durch kleine, an die Hügel geschmiegte Ortschaften, durch deren Gassen Vespas düsen und die Wäsche über der Straße baumelt – Klischeehaft? Touristenwerbung? Die Marken repräsentieren Italien wie keine andere Region und warten noch auf ihre Entdeckung. Derzeit sind nur eine Handvoll ausländischer Touristen in den Marken unterwegs, im Gegensatz zur überlaufenen Toscana fühlt man sich hier richtig unter Italienern und genießt nebenbei eine der schönsten Landschaften des italienischen Stiefels.

Landschaften wie aus dem Bilderbuch – die Marken bei San Lorenzo in Campo

Es zahlt sich aus 200 bis 300 km anzuhängen und den Strandurlaub in Riccione zu verbringen, dazu einige Tagesausflüge in die Marken sowie San Marino zu unternehmen. Man wird das Italien erleben, das man aus den Klischeeerzählungen kennt, das von dem man träumt, jenes Italien, das schon Generationen begeistert hat und das sich in die ganze Welt verkaufen lässst, und dazu in einer unberührten und authentischen Art und Weise. Italien in Hochform – rund um Ferragosto lebt Italien am Strand, die Mittlere Adria bietet sich an, dieses Strandleben aufzusaugen und zu genießen und die schönsten Landschaften Italiens sind nur einige Hügelketten entfernt – und vielleicht passiert ja genau das was ich mir schon öfter in den Marken gefragt hab: „Kein Prospekt, kein Foto in einem Katalog – das ist zu schön, um echt zu sein!“ – Italien in Hochform.

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