Radioszene Alpe-Adria: Kampagne gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk: Die slowenische Regierung und RTV Slovenija

Das kleine Slowenien ist wohl eines der Nachbarländer Österreichs, das mit diesem am meisten teilt – sowohl historisch als auch kulturell. Seit Jahrtausenden ist die Geschichte des heutigen Sloweniens mit der des heutigen Österreichs eng verflochten, was in den letzten Jahrzehnten bedingt durch die nationalstaatliche Realität nicht ohne Konflikte blieb. Kärnten und die Steiermark liegen sowohl in Österreich als auch in Slowenien, viele traditionelle Gerichte im Süden Österreichs finden sich auch in Slowenien und umgekehrt.

Dennoch wird Slowenien in den Leitmedien Österreichs gerne eher vergessen, meistens ist es eine Randnotiz wert, nur selten gelangen Nachrichten darüber in die Headlines, etwa dann, wenn es Wahlen gibt oder wenn eine Regierungskrise ansteht. Derzeit ist es wieder soweit, die Mitte-rechts Regierung unter Janez Janša, nur seit März im Amt, steht vor dem Ende, da eine der Koalitionspartner, die Pensionistenpartei, aussteigt. Dort war ein Obmannwechsel vor sich gegangen, nun wolle man die zunehmend nationalistische und populistische Politik von Premier Janša nicht mehr mittragen. (siehe etwa den Bericht im Standard vom 18. Dezember:  https://www.derstandard.at/story/2000122637756/sloweniens-pensionistenpartei-verlaesst-koalition-wegen-orbanisierung )

Der Grund? Man prangert eine „Orbanisierung“ Sloweniens an: Steigende politisch Einflussnahme auf unabhängige Medien von Seiten der Regierung, Angriffe auf staatliche Institutionen und unabhängige Journalisten. In diesem Artikel soll es genau um die Medien gehen, um die „vierte Gewalt“, im Staat. Wie frei und unabhängig diese arbeiten können gilt oft als Ausdruck für die demokratische Stärke eines Landes. In diesem Artikel geht es um diese angeblichen Versuche auf Medien Einfluss zu nehmen und um den Versuch den öffentlichen-rechtlichen Rundfunk in Slowenien umzugestalten. Ist da tatsächlich eine „Orbanisierung“ erkennbar oder handelt es sich nur um längst notwendige Reformen? Die Antwort ist schwierig, einen Versuch aber wert. Auf jeden Fall soll ein Überblick gegeben werden über die Entwicklungen der letzten Monate.

Denn egal ob politisch motiviert oder nicht: Allein wegen der engen Verflechtung mit Österreich sollte uns das auch außerhalb Sloweniens interessieren, schließlich ist Slowenisch eine der offiziellen Minderheitensprachen Österreichs und die Programme von RTV Slovenija, dem öffentlich-rechtlichen Sender Sloweniens, auch in weiten Teilen Südösterreichs empfangbar.

Der Stein des Anstoßes: Die Änderungen des Mediengesetzes

Die aktuelle slowenische Regierung unter der Führung der SDS-Partei und Janez Janša regiert seit März dieses Jahres, nachdem die bisherige Mitte-Links Regierung ihre Mehrheit nach internen Auseinandersetzungen verlor. Eine der Hauptkritikpunkte, wieso die Regierung bald unter scharfe Kritik kam: Eine geplante Änderung des Mediengesetzes. Es ist eine der Hauptauslöser wieso die Pensionistenpartei aus der Koalition mit der SDS ausgestiegen ist und der Stein des Anstoßes für die umfangreichen Debatten der letzten Monate.

Vorausgegangen war dem bereits eine scharfe Oppositionspolitik der SDS – mit knapp 25% immerhin die stärkste Partei nach der letzten Parlamentswahl im März 2018. Dennoch bildete sich damals eine Regierung unter Beteiligung von fünf Parteien, die auch noch von einer weiteren Partei unterstützt wurde – gegen die SDS, der schon im Wahlkampf 2018 vorgeworfen wurde durch Kontakte, unter anderem mit Viktor Orbán und dessen Fidesz-Partei das pluralistische und demokratische System in Slowenien in Richtung einer „illiberalen Demokratie“ zu verschieben.

Das wacklige Bündnis zerfiel – und Janša im März zum Premier gewählt. Sein Kurs war klar: „Slowenien zuerst“ heißt eine restriktive Flüchtlingspolitik, eine nationalorientierte Politik und eine autoritär anmutender Politikstil. Ein enger Vertrauter ist eben Orbán.

Janša kritisierte dabei schon lang Journalisten und deren Arbeit, die er für nicht ausgewogen und zu parteiisch darstellte, vor allem wenn sie nicht seinen Vorstellungen folgten oder kritisch berichteten (Janša war bereits in mehrere Korruptionsskandale verwickelt und auch verurteilt).

Genau um diese Medien und den Journalismus in Slowenien soll es hier gehen – weniger um die weiteren politischen Facetten der Regierung Janša, die eigene Artikel benötigen würden.

Auf Twitter zog Janša und seine SDS-Partei vor allem gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunkbetreiber RTV Slovenija her, man solle etwa keine Rundfunkgebühren mehr zahlen, da RTV Slovenija parteiisch agiere und außerdem noch eine schlechte Arbeit leiste. Kaum war die Regierung angetreten versuchte man im Juni und Juli auch schon ein neues Mediengesetz auf den Weg zu bringen, das den Stein des Anstoßes für zahlreiche Proteste darstellte.

Konkrete Punkte: Primär sollen die finanziellen Unterstützungen für RTV Slovenija drastisch reduziert werden, der Rundfunkbeitrag soll nicht mehr nur RTV zukommen, sondern allen Medien, die im öffentlichen Interesse agieren, es soll generell weniger finanzielle Unterstützung geben. 3% des Rundfunkbeitrags sollen an die staatliche STA, die slowenische Presseagentur fließen und 5% für die „Realisierung von Beiträgen im öffentlichen Interesse“. Die Leitung der STA-Agentur soll direkt der Regierung unter Kontrolle gestellt werden, da auch hier laut der Regierung eine nicht ausgewogene Berichterstattung vorherrscht.

Außerdem sollen auch im laufenden Betrieb gespart werden, die firmeneigene Abteilung, die etwa die Sendeanlagen betreut, soll in eine eigene Organisation ausgegliedert werden, die die Wartung und den Betrieb der Sendeanlagen extern durchführen soll. Dies alles würde laut RTV Slovenija einen Verlust von 13 Millionen Euro pro Jahr bedeuten, 500 Mitarbeiter würden ihren Job verlieren.

Unabhängig oder nicht? Wie soll öffentlich-rechtlicher Rundfunk ausschauen?

Die Pläne lösten heftige Debatten in ganz Slowenien aus – nicht nur aus Oppositionskreisen. Die Kritik zielt vor allem darauf ab, dass man durch die stärkere Kontrolle der Agentur STA eine stärkere Einmischung der Regierung in die journalistische Arbeit befürchtete und zeitgleich versuchen würde, RTV Slovenija finanziell „ausbluten“ zu lassen.

Die Regierung sieht dies naturgemäß anders: Viel mehr ginge es darum RTV Slovenija für die Zukunft fit zu machen, da dieses Unternehmen seit Jahren Verluste produziere und das Mediengesetz nicht mehr den heutigen Anforderungen entsprechend gestaltet sei. Eine Reform des Gesetzes sei der einzige Weg die Effizienz der Organisation zu steigern, so die Regierung.

Bis Herbst 2020 gingen bei der Regierung fast 200 Änderungsanträge zu den mehreren Änderungsvorschlägen des Mediengesetzes ein, der Betriebsrat von RTV reagierte scharf auf die geplanten Entlassungen ebenso meldeten sich nationale und internationale Organisationen wie Journalistenvertretungen zu Wort, die mit zahlreichen Aktionen versuchten auf die ihrer Meinung zunehmende Einflussnahme in der Berichterstattung aufmerksam zu machen. Die Regierung, so der Tenor, versuche durch ihre Politik Journalisten schrittweise mundtot zu machen – vor allem wenn sie kritisch berichten.

Es ist schwierig herauszufinden, ob die angedachten Pläne der Regierung und die Reform von RTV Slovenija wirklich zu einer Reduzierung der Meinungsfreiheit führen können. Jedoch geht es ganz klar um zwei unterschiedliche Vorstellungen öffentlich-rechtlichen Rundfunks: Während die Opposition und zahlreiche Organisationen eine finanziell gut aufgestellte, unabhängige öffentlich-rechtliche Organisation fordern, argumentiert die Regierung damit, dass eben diese zu teuer und auch noch parteiisch eingenommen sei – und deshalb auch andere Medien im Land ein Stück vom öffentlichen Geld abbekommen sollen. Die Grundfrage lautet dabei: Brauchen wir einen eigene öffentlich-rechtliche Anstalt oder sollen die Informationen im öffentlichen Interesse auch über private Radio- und Fernsehprogramme erfolgen? Die Regierung verfolgt das letztere Modell, auch weil sie gerne die ihr nahestehenden Programme stärker finanzieren möchte.

Die slowenische Medienlandschaft

Dazu ist ein kurzer Exkurs in die slowenische Medienlandschaft notwendig: RTV Slovenija als öffentlich-rechtliche Institution besteht aus einem Programm- und einen Aufsichtsrat, der Programmrat ist, wie der Name schon sagt, mehrheitlich für das Programm zuständig und muss einmal im Jahr die Pläne für geplante Sendungen, Programmschwerpunkte, u.a. für das kommende Jahr zustimmen. Der Aufbau ist komplex, nur ein Teil der Mitglieder entstammen den im Parlament vorhandenen Parteien im Parlament, es gibt u.a. auch Vertreter der staatlich anerkannten italienischen und ungarischen Minderheiten. Der Aufsichtsrat hingegen ist unter anderem für die finanziellen Entscheidungen zuständig. In beiden Gremien können die im Parlament vertretenen Parteien hineinwirken, etwa durch Besetzungen, jedoch nie ganzheitlich das Gremium zu ihren Gunsten verändern.
RTV Slovenija betreibt 3 slowenienweite TV-Programme (TV Slovenija 1-3) sowie drei nationale Radioprogramme (Prvi, Val 202 und ARS). Zusätzlich dazu, aufbauend auf gesetzlichen Grundlagen zum Schutz der Minderheiten, gibt es noch lokale TV- und Radioprogramme für die italienische und ungarische Minderheit: In der Küstenregion Radio Capodistria, im Osten des Landes Radio MMR (Muravidéki Magyar Rádió) bzw. TV Koper-Capodistria und Televizija Maribor mit Programmen in Ungarisch. Zusätzlich gibt es mit Radio Koper ein Regionalprogramm für die westlichen Teile des Landes und mit Radio SI ein fast landesweit empfangbares Programm mit englischen und deutschen Nachrichten sowie Verkehrsinformationen, das auch international in Slowenien lebende Personen ansprechen möchte.

Die größten privaten Anbieter sind Kanal A, Planet TV und POP TV, es gibt zahlreiche lokale Anbieter. Auch im Radiobereich gibt es zahlreiche private Radioanbieter, die national auftretenden sind Radio 1, Hitradio Center und teilweise Radio City – die meisten Programme agieren jedoch eher lokal.

 Die SDS-Partei und damit derzeitige Regierungspartei betreibt mit Nova24TV noch einen Art Nachrichtensender, der auch öfters, gerade von der Opposition dafür kritisiert wird als Art Sprachrohr der Regierung zu agieren. Laut der Kritik ginge es der Regierung durch die Gesetzesänderungen vor allem auch darum private Programme mit öffentlichen Geldern einfacher zu unterstützten – und so den medialen Diskurs zu ihren Gunsten zu lenken.

Die Änderungen im Detail: Lokale Sender, neue Strukturen und weniger Geld

Vor allem aber soll RTV Slovenija geschwächt werden. Denn der ist der Regierung eben ein Dorn im Auge: Zu wenig transparent, zu wenig objektiver Journalismus und vor allem eine zu kritische Berichterstattung gegenüber der Regierung. In den letzten Monaten wirft die SDS-Partei und Janša RTV auch vor durch ihre Berichterstattung die Zustimmung der Bevölkerung zu den von der Regierung erlassenen Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus zu sabotieren, die falsche Berichterstattung sei unausgewogen, zu kritisch und unterstütze die Anliegen der Regierung zu gering. Zahlreiche Mitglieder der Regierung sprechen offen Boykottierungsvorwürfe gegenüber RTV Slovenija aus, man solle etwa seinen Rundfunkbeitrag nicht mehr bezahlen und das Programm generell meiden. Es ist eine richtige Kampagne einer Regierung an ihren eigenen öffentlich-rechtlichen Programmen – die in diesem Ausmaß dann doch außergewöhnlich ist.

Doch es geht der Regierung anscheinend nicht nur um das Programm: Denn im März, wenige Tage nach dem Antritt der Regierung, tauschte man bereits drei Posten im Aufsichtsrat von RTV Slovenija aus – zwei der abgelösten Aufsichtsräte haben dagegen Klage eingereicht und im November auch vom Obersten Gerichtshof Recht bekommen: Sie dürfen ihre alten Posten wieder einnehmen.

Im Visier geriet auch der seit 2017 amtierende Generaldirektor Igor Kadunc.

Ende Oktober versuchten die regierungstreuen Mitglieder des Aufsichtsrates den Generaldirektor abzusetzen, da dieser in ihren Augen zu hohe Verluste erwirtschaftet habe und für die in ihren Augen schlechte Performance in der Berichterstattung rund um die Coronakrise verantwortlich sei. Kadunc konterte, dass es eigentlich bei diesem Vorstoß nur darum ginge mehr Einfluss in die Berichterstattung des Unternehmens zu erhalten und betonte, dass man wegen der parteipolitischen Streitigkeiten 2020 noch immer mit dem Finanzplan 2019 arbeite, einem Art „Notfallsplan“, weil es für ein Budget 2020 keinen Beschluss gegeben habe.

Nach der Kampfabstimmung am 02.11 blieb Kadunc im Amt, 14 der Aufsichtsräte stimmten dagegen, nur 9 dafür, 6 enthielten sich der Abstimmung. Die Opposition unterstellte dabei der Regierung weiterhin eigentlich auf die Aushöhlung der Pressefreiheit aus zu sein und durch die Postenbesetzungen schneller einen wesentlichen Einfluss auf die Berichterstattung von RTV Slovenija zu erhalten, die Regierung wiederrum wiederholte ihre Argumente: RTV Slovenija tue zu wenig, um den Informationsauftrag nachzukommen und berichte mangelhaft und verzerrt über die Coronakrise und die Maßnahmen der Regierung.

Auch im Parlament ging es in einer Debatte am 04.11 um RTV Slovenija: Die Opposition kritisierte weiterhin scharf die Pläne der Regierung die geplanten Änderungen des Mediengesetzes durchzuführen. Der zuständige Kulturminister, Vasko Simoniti, kritisierte dabei RTV Slovenija besonders stark: RTV verliere täglich Zuseher durch seine Untätigkeit und Ungenauigkeit ,es sei „ein schlechtes Medium“. Der Regierung ginge es lediglich darum RTV Slovenija auf neue Beine zu stellen, eine höhere Effizienz in Finanzfragen zu erreichen und ja, auch die Berichterstattung „neutraler“ zu gestalten. Was auch immer dies bedeutete.

Das liebe Geld

In den Debatten geht es vor allem um eins: Um Geld. Die Regierung prangert die Ineffizienz von RTV Slovenija an und sieht in einer Reform samt Kostenkürzung die einzige Möglichkeit eines Neustarts. Tatsächlich ist RTV Slovenija seit Jahren mit Verlusten unterwegs, trotz einer Inflation von 8,9% wurde der Rundfunkbeitrag seit 2012 nicht erhöht, das Defizit im Jahr 2021 wird 1,86 Millionen betragen, weswegen RTV plant seine Eutelsat Aktienbeteiligungen zu verkaufen, um kurzfristig an etwas Geld zu bekommen. Generaldirektor Kadunc wies in den Budgetverhandlungen, die im November stattfanden, jedoch daraufhin, dass es eine bessere finanzielle Absicherung von RTV Slovenija benötige, damit der Informationsauftrag auch in Zukunft gedeckt werden kann.

Die Regierung wiederrum sieht diesen Informationsauftrag anscheinend auch gut bei den Privatsendern aufgehoben und möchte daher RTV Slovenija nicht weiter finanzieren. Während mit 14. Dezember das Programm für 2021 genehmigt wurde, gilt dies nicht für den Finanzplan für 2021, hier hat der Aufsichtsrat keine Entscheidung getroffen, auch 2021 wird RTV Slovenija daher weiterhin in einer Art Notbetrieb „überleben“. Kadunc schlägt hier schon Alarm, die Wartung der Sendeanlagen sei damit nun ernsthaft in Gefahr.

Es wirkt fast so, als sei die Strategie der Regierung tatsächlich RTV Slovenija „aushungern“ zu lassen. Der Finanzplan 2020 kam wohl auch durch die Proteste von SDS nicht zustande, der für 2021 ebenso. Ähnliches versucht man mit der bereits angesprochenen Presseagentur STA: Seit Oktober werden die gesetzlich vorgesehenen Zahlungen an die Agentur einfach nicht mehr von der Regierung überwiesen. Anscheinend war man vom massiven Widerstand überrascht, wie aus den Nachrichtenbeiträgen ersichtlich wird, scheint es bis heute (20.12) noch immer keine wesentliche Entscheidung hinsichtlich der Änderungen im Mediengesetz zu geben. Daher die Strategie: Kein Geld. Und im Hintergrund eine öffentliche Verleumdungskampagne gegen den öffentlich-rechtlichen Anbieter, für dessen Funktionieren man als Regierung eigentlich zuständig ist, doch mit dessen Berichterstattung man nicht einverstanden ist. Eine nicht alltägliche Praxis, die den Vorwurf verhärtet, dass es der Regierung nicht nur um eine effizientere Struktur, sondern um eine radikale Umgestaltung in Richtung pro-Regierungsfunk ähnlich wie in Ungarn, geht.

Was sind mögliche Auswirkungen?

Derzeit bleibt abzuwarten, was mit den Gesetzesentwürfen und Vorschlägen passiert. Der Regierungswechsel könnte zu Neuwahlen führen, es ist offen wer danach die Geschicke des Landes führen wird.

Die letzten Monate jedoch gab es bereits Debatten und Diskussionen, was die geplanten Gesetzesänderungen konkret bedeuten könnten:

  1. Drohender Verlust lokaler Programme?

Eine vorgeschlagene Änderung betrifft den Artikel 77, der lokale Fernseh- und Radioprogramme definiert. Derzeit gilt solch ein lokales Programm eben als solches, wenn es eine bestimmte Gemeinschaft erreicht, maximal aber 10% der Gesamtbevölkerung. Die neue Regelung soll es regionalen Anbietern ermöglichen in nationalen MUXEN im Digitalradio DAB+ zu agieren.  Der Slowenische Journalistenverband (DNS) kritisiert, dass sie dadurch ihre Regionalität und Integrität verloren würden, da eventuell einzelne Anbieter diese Lücke nützen, um eine nationale TV- oder Radiokette aufzubauen. Außerdem bemerkt der Journalistenverband an, dass nationale Kapazitäten in den MUXEN begrenzt sind und so thematisch unterschiedliche Programme möglicherweise verloren gehen. Durch die Wertsteigerung durch ein vergrößertes Sendegebiet könnte man einfacher neue nationale Versorgungsnetze aufbauen – eben auf Kosten von individueller, regionaler Qualität.

Unabhängig davon würden die Einsparungen bei RTV Slovenija wohl das Ende von Radio SI bedeuten. Der Sender wurde in den 1980er Jahren in Maribor als Radio MM2 gegründet und versorgte vor allem das damalige Südösterreich, v.a. den österreichischen Teil der Steiermark als dort noch keinerlei Privatfunk erlaubt war, da Österreich als eines der letzten Länder in Europa erst seinen Rundfunkmarkt liberalisierte – und das auch nur wegen Druck von außen durch eine Verurteilung durch den Europarat. Radio SI bietet englisch- und deutschsprachige Nachrichten sowie Verkehrsinformationen an und produziert auch englische Talkformate, die sich an Menschen richten, die in Slowenien leben. Die Abdeckung ist nicht flächendeckend, man versucht aber die Autobahnen abzudecken, in den größeren Städten ist Radio SI zumeist empfangbar.

Außerdem könnte es Radio Koper und eventuell Radio Capodistria treffen, beide im Westen des Landes aktiv. Radio Capodistria kann auf ebenso eine lange Geschichte zurückblicken, durch den gesetzlich verankerten Versorgungsauftrag als offizielles Sprachrohr der italienischen Minderheit in Istrien ist es aber etwas besser geschützt als Radio Koper, das Sparplänen wohl eher zum Opfer fallen dürfte.

  • Senderbetreuung

Ein wesentlicher Eckpunkt der Gesetzesnovelle ist auch der Vorschlag die „Sender- und Kommunikationsabteilung von RTV Slovenija“ in vollen Umfang in eine eigene Organisation umgewandelt werden, die nicht direkt mit RTV Slovenija in Verbindung steht. Sie soll weiterhin die Aufgaben der Ausstrahlung der öffentlich-rechtlichen Programme steuern, man solle dann auch jedoch alle privaten Anbieter übernehmen und die Verbreitung regeln. Laut der Regierung sei auch dieser Sektor zu ineffizient, weswegen man die Gründung einer marktorientierten Gesellschaft anstrebe. So können laut der Regierung die zu hohen Materialkosten reduziert werden.

In einer Aussendung vom 28. August versuchte die Abteilung diese Darstellung zu widerlegen: Ausgaben von knapp 17.000 stehen Kosten in Höhe von knapp 10.0000 entgegen, was einen Gewinn von 7.000 bedeutet. Es wird betont, dass immer mehr auch für private Organisationen Dienstleistungen erbracht werden – seit 2016 sei diese Quote um 19% gestiegen, 40% fallen auf Nichtrundfunkunternehmen, v.a. der Mobilfunk sei ein treuer Kunde. Auch sei die gesamte Umstellung auf Digitalisierung (auf DVB-T2 bzw. DAB+) von RTV Slovenija getragen worden, was zu zahlreichen Mehrkostenbelastungen geführt hätte. Die Gewinne der Abteilung würden so sogar positiv in das Gesamtbudget von RTV Slovenija hineinwirken. Eine Privatisierung hätte auch einen Verlust von Know-how zu bedeuten argumentiert man: Langjähriges Know-how, etwa in der Signalübertragung und der Wartung, würde so wegfallen.

  • Weiterer Ausbau von Digitalradio DAB+

Slowenien expandiert mit seinem Netz an Digitalradio in den letzten Jahren massiv und hat umlängst neue regionalisierte MUXe (Multiplex-Plattformen) in Betrieb genommen. Eine geringere Liquidität könnte auch hier zu Reduktionen bzw. einer Streichung des weiteren Ausbaus führen. Dazu gibt es allerdings noch keine detaillierten Meldungen.

  • Programmreduktion

Obwohl keine genauen Informationen dazu vorliegen, würde ein Personalabbau von 500 Personen, die Schließung von zumindest zwei Lokalsendern und damit wohl eine erhebliche Reduktion der Programme im TV- und Radiobereich bedeuten. Gleichzeitig würde es wohl zu einer Abnahme der journalistischen Tätigkeiten in Slowenien und damit zu einer Reduzierung der Pluralität führen.

„Orbánisierung“ oder nicht?

Ist Slowenien drauf und dran Ungarn zu werden? Diese Frage kann so nicht beantwortet werden. Weder ist Slowenien mit Ungarn 1:1 zu vergleichen, auch wenn die Ideen in diese Richtung zielen: Man möchte die Strukturen so umbauen, dass man über private Medienunternehmen eine stärkere Kontrolle auch der Staatsmedien aufbaut, gleichzeitig durch die Kontrolle der Presseagentur auch den Diskurs stärker in die gewünschte Richtung lenken. Allerdings gibt es dennoch große Unterschiede, weder verfügt Janša noch seine SDS über eine solche Mehrheit wie sie Orbán und seine Fidesz in Ungarn aufweisen. Im Gegenteil, er ist auf Unterstützung dreier weiterer Parteien angewiesen – die erste hat jetzt im Dezember bereits die Zustimmung untersagt.

Außerdem kann man Slowenien nicht mit Ungarn vergleichen, die demokratischen Prozesse sind deutlich stärker ausgeprägt, die Gewaltentrennung funktioniert besser, wie etwa die Gerichtsurteile im Falle der Postenbesetzung im Aufsichtsrat von RTV Slovenija zeigen. Das Land weist bessere Wirtschaftsdaten, einen höheren Lebensstandard als Ungarn auf und ist in vielerlei Hinsicht, historisch, politisch, kulturell auch eher mit Österreich vergleichbar (wo man es mit unabhängigen Medien ja auch nicht immer ganz so genau nimmt).

Dennoch gibt es einen Einfluss von Viktor Orbán, der von Janša auch gefördert wird: Fidesz versucht so angeblich durch den Aufkauf von Medienunternehmen in Slowenien (und auch in anderen Ländern wie Nordmazedonien) sich einen Einfluss zu sichern. So übernahm ein Vertrauter Orbáns im Oktober einen der größten Privatfernsehstationen Planet A. Bereits 2017 kaufte man sich bei Nova24TV ein, dem SDS nahestehenden Nachrichtenprogramm. Die Vorgängerregierung berief einen Untersuchungsausschluss ein, der die Verstrickungen der SDS mit diesen dubiosen Abkommen untersuchen sollte, doch wurde der Vorsitzende mit der Regierungsbeteiligung der SDS ausgetauscht, es gibt dazu noch keine Ergebnisse, siehe etwa hier für Detailinformationen: https://balkaninsight.com/2020/12/04/hungarian-media-expansion-in-balkans-raises-worries-but-lacks-impact-2/

Obwohl Orbán bei den Veranstaltungen der SDS ein gerngesehener Gast ist und wohl eine finanzielle Unterstützung der SDS durch Orbán erfolgt, ist es nicht klar bewiesen, dass es die Fidesz-Partei ist, die in Slowenien mehr Einfluss erlangen möchte. Viel mehr, so scheint es, gehe es der ungarischen Regierung wie auch Janša darum einfach ihre Agenda durchzubringen. Kritik, unterschiedliche Meinungen und scharfe Diskussionsbeiträge sind da eben lästig.

Der große Widerstand in Form von einer organisierten Opposition ist Ungarn (leider) fremd, die breiten Proteste gegen die Pläne in Slowenien haben wohl auch die Regierung überrascht, zumindest gibt es auch im Dezember noch immer keine Entscheidung, wie und ob die neuen Gesetzesänderungen wirklich eintreten werden. Im Gegenteil, es bildet eher eine heftige Debatte ab, die aufzeigt, dass die Zivilgesellschaft, anders als in Ungarn, durchaus aktiv ist.

Gleichzeitig sollte man aufpassen nicht alles mit einer Tendenz hin zu kontrollierten Medienlandschaften wie in Ungarn abzutun: Die Finanzprobleme von RTV Slovenija dauern schon länger an, auch als Mitte-links Regierungen die Geschicke des Landes lenkten. Die strukturellen Defizite durch Gesetzesänderungen zu verbessern und die Medienpolitik an die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts anzupassen, ist daher durchaus notwendig – nicht nur in Slowenien. Die Frage sollte aber nicht zwingend lauten, ob mit oder ohne öffentlich-rechtlichen Rundfunk, viel mehr geht es um die Koexistenz beider Systeme. Eine Gesetzgebung, die etwa flexibel auf die heutigen Bedürfnisse eingeht, ist daher notwendig. Es braucht keine verkrusteten Strukturen und ja, es muss auch über Einsparungen, Restrukturierungen und Umbauten diskutiert werden.

Was kein Land braucht ist jedoch eine Kampagne gegen Journalisten und gegen deren Berichterstattung, nur weil diese ihre Arbeit erfüllen und eben auch kritisch über Regierungen berichten. Nur weil öffentlich-rechtliche Organisationen im öffentlichen Interesse agieren, sind sie nicht ein Propagandasprachrohr der jeweiligen Regierungen.

In Ungarn hat man gesehen, wie schnell eine Medienszene und die Meinungsfreiheit quasi zerstört werden kann, dies kann und darf sich nicht in anderen Ländern wiederholen. Es mag vielleicht etwas altmodisch wirken im Jahr 2020 für ein Zwei-Millionen-Land mehrere regionale Sender zu betreiben, doch darf man hier auch die besondere historische Geschichte Sloweniens nicht vergessen, dass seit Jahrhunderten immer ein Mosaik an unterschiedlichen Sprachen darstellte. Auch hier hat Slowenien viel mit Süd- und Ostösterreich gemeinsam. Die Bewahrung dieser Programme ist daher auch die Garantie dafür die (sprachliche) Vielfalt zu schützen, Minderheiten zu unterstützen, statt sie zu diskriminieren, etwas, das leider in Ungarn alltäglich passiert.

Die Änderungen des Mediengesetzes sollen unter Einbindung aller Parteien und der notwendigen Gremien erfolgen, ebenso sollten die über 190 Einwände ausführlich behandelt werden. Es ist dies, was eine Demokratie ausmacht, nicht nur die Mehrheit entscheidet, sondern sie entscheidet auch für die Minderheiten. Ein starker öffentlich-rechtlicher Anbieter kann dies auch im Jahr 2020 anbieten. In Slowenien scheint die Zivilgesellschaft, das sieht man an der regen Beteiligung, anscheinend noch deutlich ausgeprägt zu sein. Doch wie in vielen Ländern muss man auch hier aufpassen, dass eine pluralistische und freie Meinungsäußerung auch weiterhin bestehen bleibt. Dies gilt nicht nur für Slowenien, sondern auch für Österreich und für viele andere EU-Mitgliedsländer.

Weiterführende Informationen/Quellen:

Der Artikel basiert vorwiegend auf Veröffentlichungen slowenischer Medien sowie teilweise auch der (spärlichen) internationalen Berichterstattung.

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